Der erste Ausweis

Wir haben König Quang Trung bereits in einem der vergangenen Einträge kennengelernt, den Mann, der Vietnam von 1789 bis 1802 für nur drei Jahre regierte, aber trotzdem einen enormen Einfluss in der vietnamesischen Geschichte hinterließ. Vor allem, weil er mit seiner Armee das Land zunächst aus einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg vereint, und es dann auch noch gegen die Chinesen verteidigt hatte.

Etwas weniger bekannt ist die Tatsache, dass Quang Trung der erste war, der den Ausweis in Vietnam einführte. In einem Land, das nach Jahrzehnten von Krieg wirtschaftlich ziemlich am Boden lag, war es ziemlich wichtig, genau zu wissen, wie viele Menschen eigentlich im eigenen Gebiet leben. Oder präziser: Wie viele Bauern im Land leben, die imstande sind, die Felder zu bewirtschaften.

Deshalb ließ Quang Trung in seiner kurzen Regierungszeit unter anderem zwei Volkszählungen durchführen. Leider mit mäßigem Erfolg. Viele Dörfer verstanden genau, dass sie möglichst versuchen mussten, sich klein zu rechnen, dann würde der Staat sie mit Forderungen nach Steuern und Naturalien in Ruhe lassen. Ein vietnamesischer Hofbeamter notierte 1792: „Die Leute waren stur und unnachgiebig, und die Beamten nahmen liebend gerne Bestechungsgelder an, deswegen scheiterte die Volkszählung.“ Ein französischer Missionar aus dieser Zeit schreibt, dass das Dorf, in dem er lebt, den Volkszählern eine Bevölkerungszahl vorschwindelte, die nur 10 Prozent der tatsächlichen Zahl entsprach.

Deswegen kam die Regierung auf eine andere Idee: Ausweise, auch bekannt als „Vertrauenskarten“, weil sie den Spruch trugen: „In Vertrauen auf das Reich“. Jeder Bürger musste ein solches Dokument bei sich tragen. Darauf waren vermerkt: Nachname und Vorname, Eltern und außerdem ein Stempel des linken Daumens (!). Wer außerhalb seines Dorfes ohne diesen Ausweis angetroffen wurde, riskierte, in die Armee eingezogen zu werden.

Die Idee mit den Ausweisen gab es vorher nicht in Vietnam, und war geradezu revolutionär modern. Leider, war sie auch schrecklich unpopulär. Menschen werden offenbar nicht gerne überprüft, da unterscheidet sich der deutsche biometrische Pass des 21. Jahrhunderts wohl kaum von der Vertrauenskarte des 18. Jahrhunderts. Viele Bauern argwöhnten offenbar auch, das sei alles nur ein billiger Trick, um möglichst viele Leute in die Armee einziehen zu können. Es gibt unterschiedliche Berichte von vietnamesischen Hofbeamten aus der Zeit, die einen sagen, der Effekt sei gewesen, dass immer weniger Bauern ihre Dörfer verlassen hätten. Andere behaupten sogar, es seien Bauern in die Wälder geflohen, weil sie sich nicht dem Ausweissystem unterwerfen wollten.

1792 wurde das System sang- und klanglos wieder abgeschafft. Verblüffend bleibt die Ähnlichkeit zu heutigen Ereignissen in Deutschland dennoch.

One Response to Der erste Ausweis

  1. spatz says:

    :)

    „Nachname und Vorname, Eltern und außerdem ein Stempel des linken Daumens (!)“
    Es ähnelt sich eher mit der in 2011 eingeführten sogenannten Aufenthaltskarte für Ausländer. Die gezwungenen Fingerabdrücke sind der Unterschied zum deutschen biometrischen Pass. Damit wollte man illegale Leute kontrollieren und erst mal alle Ausländer in Verdacht lassen.

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