Ich hatte wahlweise eine Geschichte über Staus oder über Orangenbäume versprochen. Sie lassen sich beide verbinden: Man fährt hier täglich an grob geschätzt 30 Orangenbäumen und 23 Pfirsichblütensträuchern vorbei. Oder umgekehrt: Die Pflanzen fahren an einem vorbei. Festgeschnallt auf den Mopeds oder unter den Arm geklemmt.
Um genau zu sein, sind es keine Orangenbäume, sondern angeblich „eine Unterart der Mandarine, die noch kleiner sind als Mandarinen.“ Da sie orange sind, nenne ich sie zum Zweck der Einfachheit weiter Orangenbäume.
Der Pflanzentransport hat einen Grund: Das Neujahrsfest. Je länger ich hier bin, desto mehr Parallelen fallen mir zwischen Têt und Weihnachten auf. Da wäre also zunächst mal: Der Baum. Bei uns im Wohnzimmer steht nun ein riesiger Pfirsichblütenbaum, der tatsächlich mit Dekoration behängt ist. Denkt man sich die roten Blüten weg und stattdessen grüne Nadeln hinzu, wäre es ein Weihnachtsbaum.
Gleichzeitig scheint sich der Verkehr in den vergangenen Tagen noch einmal zu vervielfacht haben. Es herrscht jetzt zu jeder Tageszeit Chaos und Stau. Viele Vietnamesen sind bereits zum Fest nach Hanoi zurückgekehrt, hierher gekommen, um Fest-Geschäfte zu machen, oder haben sogar schon mit der Arbeit aufgehört und fahren durch die Stadt und machen Fest-Einkäufe. Wie dem auch sei: Vietnamesen haben die liebenswürdige Eigenschaft, aus einem kleinen Stau garantiert einen großen Stau zu machen.
Sobald es stockt, sind auch die allerletzten Verkehrsregeln aufgehoben, und jeder fährt dorthin, wo Platz ist. Das schließt auch die Gegenfahrbahn mit ein. Innerhalb von wenigen Minuten stecken deswegen auf einer Kreuzung alle so dermaßen unentrinnbar fest, dass sie niemand mehr bewegen KANN, obwohl eigentlich gar nichts besonderes passiert ist.
Es hat sehr, sehr viel von Weihnachtsstress. Nachdem mir ja der Weihnachtsstress dieses Jahr (also: letztes Jahr, oder, nein, doch immer noch dieses Jahr) erspart blieb, kann ich nun auch endlich seufzen: „Bin froh, wenn die Feiertage da sind!“