Das Fünfte Element

Nachdem wir jetzt gestern geklärt haben, dass in Vietnam das Jahr der Katze beginnt, machen wir heute einen Abstecher in die allgemeinen Hintergründe der vietnamesischen Astrologie.

Zwölf Tierkreiszeichen reichen nämlich nicht. Es kommen noch die Elemente hinzu. Elemente, das kennen wir ja aus Europa: Feuer, Wasser, Erde… usw. Irritierenderweise kennen die Asiaten allerdings fünf Elemente. Und nicht nur das, es sind auch noch gleich zwei davon anders. Die Elemente in Vietnam sind:

Feuer, Wasser, Erde, Metall und Holz.

Wobei erstens auffällt: Die in Europa zu den Elementen zählende Luft ist nicht dabei. Luft kann man nicht sehen und nicht anfassen, entgegnen die Vietnamesen. Was mal wieder unterstreicht, dass sie einfach keine Seefahrer-Nation waren.

Zweitens sind die beiden für Europäer unbekannten Elemente Metall und Holz. (In der westlichen Elementelehre würde man wohl beides unter „Erde“ einordnen).

Die Vietnamesen (genauer gesagt wohl die Chinesen, von denen der ganze theoretische Hintergrund größtenteils stammt) haben sich dazu ein wunderschönes Beziehungsgeflecht einfallen lassen, das genau erklärt, welche Elemente aus welchen hervorgehen.

Aus Holz wird Feuer, aus Feuer wird Erde (Asche), aus Erde wird Metall (Rohstoffe), Metall bereichert das Wasser (Mineralwasser), und Wasser wiederum nährt das Holz. Kreislauf fertig.

Genauso gibt es natürlich auch Gegensätze. Wenn man sich den Kreislauf als Kreis vorstellt, dann vertragen sich kurz gesagt immer diejenigen Elemente nicht, die nicht nebeneinander stehen. Zu jedem Element gibt es also zwei Gegensätze: Wasser löscht Feuer und spült Erde hinfort (da sieht man, wie verheerend schon damals Fluten gewesen sind), Feuer schmilzt Metall und löscht Wasser, Holz macht Metall stumpf und entzieht der Erde Nährstoffe, und so weiter.

Wie man sieht, ist da natürlich auch ein wenig zurechtgebogene Ideenwelt dabei, schließlich könnte man auch argumentieren, dass Holz aus der Erde hervorgeht, oder Erde das Wasser braucht, um nicht zu Staub zu zerfallen. Aber vielleicht ist das auch wieder viel zu sehr meine von der griechischen Vier-Elemente-Lehre geprägte Denkweise.

Warum uns das alles überhaupt interessiert?

Weil jedes Jahr nicht nur einem Tier zugeordnet ist, sondern auch einem Element. 2011 ist nicht nur das Jahr der Katze, sondern auch das Jahr des Holzes. Eine Holz-Katze sozusagen.

Wer sich jetzt anhand der chinesisch/vietnamesischen Astrologie zurecht finden will, welcher Partner beispielsweise zu ihm passt, der darf nicht nur die Katze in Betracht ziehen, sondern muss gleichzeitig auch noch auf das Element achten.

„Also zum Beispiel“, folgert jetzt der vorschnelle Europäer: „Eine Holz-Katze passt nicht zu jemandem mit dem Element Metall, aber passt gut zu jemandem mit Element Feuer.“

Leider nein.

Denn es wird noch komplizierter. Jedes Element gibt es nicht nur einfach einmal. Jedes Element gibt es in fünf verschiedenen Ausprägungen. Es gibt nicht nur einfach „Metall“, sondern es gibt die fünf verschiedenen Varianten Waffenmetall, Lampenmetall, Schmuck, Metall im Sand und Edelmetall. Es gibt Holz auf dem Berg (Bergsträucher), es gibt Vulkanfeuer und Himmelsfeuer (Blitz), Flusswasser und Meerwasser, und so weiter und so fort.

Die Idee lautet jetzt: Menschen passen wunderbar zusammen, wenn sie zu zwei Elementen gehören, die sich möglichst wenig in die Quere kommen. Vulkanfeuer und Bergstrauch passen also schlecht zusammen, weil das Vulkanfeuer den Strauch vernichtet, während Vulkanfeuer und Gartenholzgewächs angeblich wunderbar zusammen passen, weil sich beide niemals begegnen (auch wenn die Gartenbäume in Pompeij da sicherlich widersprochen hätten).

Wenn man sich all das zu Gemüte führt, versteht man auch, warum in Vietnam die Astrologie eine regelrechte Wissenschaft ist, bei der geschulte Leute mit ihrem Wissen sehr viel Geld verdienen. Ein normaler Mensch verliert da einfach schnell den Überblick.

Die Holz-Katze des Jahres 2011 ist also nicht nur einfach eine Holzkatze, sondern steht unter dem Holzelementen-Zeichen des altehrwürdigen Luftwurzelbaums, dieser scheinbar uralten und mystischen Baumgiganten, die man in Hanoi unter anderem im Literaturtempel bewundern kann, und die wir in einem früheren Blog-Eintrag bereits einmal als Banyan-Feige oder ficus religiosa identifiziert haben.

Und was die Luftwurzelbaumholzkatze nun charakterisiert, das klären wir morgen im Dritten Teil der Serie.

(PS: Der Buddhismus kennt übrigens auch fünf Elemente – Erde, Wasser, Feuer, Leere und… Luft!)

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