Die Jungs aus der zwielichtigen Gasse

Vietnam ist ja nun mit großen internationalen Konzerten nicht sonderlich gesegnet. Wenn die Stars und Sternchen des Pop auf so genannte „Welt-Tourneen“ gehen, dann schauen sie vielleicht in Tokio vorbei oder auch mal in Peking, aber nicht in Hanoi.

Es muss dann mangels Alternativen schon unter die Kategorie Superstars gezählt werden, dass vor einiger Zeit der französische Liedermacher Francis Cabrel in Hanoi gespielt hat, oder die Wiener Sängerknaben aufgetreten sind. Außerdem war im vergangenen März mal die koreanische Popgruppe „Super Junior“ hier. Dass Europäer Schwierigkeiten haben, die wiederum unter Superstars einzuordnen, ist der musikalischen Pop-Ignoranz der Europäer geschuldet.

Das heißt wohlgemerkt nicht, dass Vietnamesen keinen Pop hören. Es gibt auch Popkonzerte, die das große My-Dinh-Stadion füllen, nur treten dort dann überwiegend vietnamesische Gruppen auf.

Es ist also vor diesem Hintergrund eine wahre Sensation, das die Jungs aus der zwielichtigen Hinterhofgasse, oder auf Englisch, die „Backstreet Boys„, ganze zwei Konzerte in Vietnam gaben.

Meines Wissens hatten die Backstreet Boys ihre größten Erfolge Ende der 90er, als sie in der Tat zu den erfolgreichsten Boygroups des Pop gehörten. Im vergangenen Jahrzehnt kamen wohl noch ein paar Alben dazu, aber diverse Trennungen, Prozesse und anderes sorgten für deutlich mehr Schlagzeilen. Das macht natürlich nichts, denn außerhalb des eigenen Landes kann Ruhm ja manchmal umso länger währen, wie die Schallplatten von Modern Talking beweisen, die in manchen vietnamesischen Bars rauf und runter gespielt werden.

Vermutlich ist es vor einem solchen Hintergrund eine gar nicht so dumme Idee, seinen Ruhm einfach noch ein wenig auszukosten, indem man sich auf Welt-Tournee begibt. Unter anderem nach Portugal, Neuseeland, Indien und… eben Vietnam. Die ganze Tour dauerte knapp anderthalb Jahre und der Tourneeplan sieht derzeit so aus, als sei Vietnam die letzte Station gewesen.

In Vietnam sorgten die Jungs dann erwartungsgemäß für so viel Aufregung, dass jeder Schritt akribisch beleuchtet wurde. („Hier betritt der erste Backstreet Boy vietnamessichen Boden!!“) Das Stadion in Hanoi war dann trotzdem nicht ausverkauft, was aber vor allem wohl an den gepfefferten Ticketpreisen lag. Die kosteten im Schnitt so um die eine Million Dong, das sind so etwa 50 Euro. Teurer internationaler Standard also. In Vietnam entspricht das allerdings für Büro-Angestellte schnell mal einem halben oder einem Viertel Monatsgehalt.

Nun sind Popgruppen und deren Agenturen keine Wohltätigkeitsorganisationen, insofern sollte man sich nicht wundern, dass sie zulangen, wo sie nur können. Die Rechnung scheint auch aufgegangen zu sein, denn unter dem Strich kamen in Hanoi trotzdem wohl noch deutlich mehr Leute zusammen, als in so manch anderen (und deutlich kleineren) Konzerthallen. Immerhin hatte die Gruppe offenbar ihr ganzes Equipment mitbebracht, auf den diversen youtube-Videos von Handycams der Fans merkt man aber trotzdem, dass Vietnam Konzerte dieser Größenordnung und dieses technischen Superschnickschnacks nicht ganz gewohnt ist, weil die Bühne an einigen Ecken etwas seltsam aussieht. Die Leinwand erscheint mir zum Beispiel ziemlich klein und erinnert mich an Diaprojektor-Vorträge in der Grundschule.

Unter dem Strich waren aber wohl alle zufrieden: Die Gruppe hat ein paar Dollar mehr auf dem Konto, und die Vietnamesen hatten ein bisschen Weltruhm in der Hauptstadt.

Der nächste Superpopweltstar hat sich übrigens auch schon angekündigt: Mitte April kommt Bob Dylan nach Saigon.

Dann kosten die Tickets knapp 100 Euro.

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