Schlaue Ratten

Eine vietnamesische Arbeitskollegin hat Ratten zu Hause. Die Ratten zeigen sich nicht, aber sie fressen Nahrungsmittel und Gegenstände an, und sie pinkelten überall hin, sagt die Kollegin. Dass Ratten sich gerne durch alles mögliche hindurch nagen, bemerke ich auch öfter mal, wenn ich meine ZEIT-Ausgabe per Post bekomme. Die Zeitung liegt offenbar auf dem Weg von Deutschland zu mir bisweilen einige Zeit in irgendwelchen vietnamesischen Postzwischenlagern, und wenn sie bei mir ankommt, ist manchmal irgendwo ein Loch in der Plastikfolie, quer durch das Titelblatt, bis hinein ins Wissens-Ressort. Das Wissens-Ressort ist ziemlich weit hinten. Man liest dann Zeitung mit Loch.

Ich habe der Kollegin jetzt eine meiner Rattenfallen zur Verfügung gestellt. Seit fast fünf Jahren besitze ich Rattenfallen, seit ich damals in meiner Pensionswohnung die Ratte auf der Vorhangstange bewundern durfte (die sich später eher als Maus, zumindest aber als sehr, sehr kleine Ratte entpuppte). Damals habe ich mir aus Deutschland Rattenfallen mitbringen lassen. Die Fallen sind etwa handgroß, aus Plastik, haben gezackte Kanten, man kann sie aufspannen, und wenn etwas sie berührt, dann fliegen sie – schnapp! – zu. Die Kollegin hat auch ein kleines Kind, ich habe ihr gesagt, sie solle die Falle irgendwo aufstellen, wo das Kind nicht drankommt.

Nun steht die Falle seit einigen Tagen in der Wohnung. Gefangen hat sie noch nichts. Allerdings schnappe sie regelmäßig zu, erzählte mir die Kollegin heute morgen. Dann sei sie zu, aber nichts sei drin.

„Vielleicht“, überlegte die Kollegin, „sind vietnamesische Ratten schlauer als deutsche Ratten.“

Ich halte das durchaus für möglich. Eine Ratte, die sich einmal bis quer durchs Wissens-Ressort gefressen hat, kann eigentlich nicht so dumm sein.

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