Händler- und Soldatenstaat

Mittelvietnam im 16. und 17. Jahrhundert, regiert von der Familie der Nguyens, war, wie hier und hier beschrieben, ein Staat, der einerseits durch den Außenhandel reich wurde, und andererseits damit auch stark vom Außenhandel abhing. Nicht nur der Wohlstand, sondern damit auch das Überleben des Landes hing von den Handelserfolgen ab. Gleichzeitig war Dang Trong oder Cochinchina, wie das Gebiet damals genannt wurde, auch ein stark militarisierter Staat. Zum einen, weil es ein junger Staat war, der sich zahlreiche bislang nicht-vietnamesische Gebiete erobert hatte, zum anderen, weil die Nguyens mit ihren ehemaligen Lehensherren aus Nordvietnam im Konflikt lagen.

Aus beidem ergeben sich freilich Konsequenzen für eine Gesellschaft: Eine sehr hohe Zahl an jungen, wehrfähigen Männern war für eine lange Zeit in der Armee, oft zwangsrekrutiert. Und gleichzeitig waren viele der restlichen Familienmitgliedern, wo immer möglich, in den Handel involviert, der weitaus mehr Profit abwarf, als der Reisanbau. Anders gesagt, die Gesellschaft in Cochinchina war überwiegend außerhalb der Landwirtschaft beschäftigt. Und wenn sie landwirtschaftlich tätig wurde, dann oft in Produkten, die sich gut verkaufen ließen: Zuckerrohr oder Seidenraupenplantagen zum Beispiel.

Die Folge war: Nguyen-Cochinchina musste über weite Jahrzehnte hinweg seinen Reis aus anderen Ländern importieren. Ein für das Südostasien des 17. Jahrhunderts geradezu revolutionärer Zustand. Der Reis kam überwiegend aus Kambodscha und Thailand, und anhand alter Akten lässt sich sehr anschaulich nachvollziehen, dass Hungersnöte in Mittelvietnam immer dann auftraten, wenn im Jahr zuvor beispielsweise die Regierenden in Kambodscha ein Ausfuhrstopp von Reis verhängt hatten.

Das änderte sich erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als auch das Mekong-Delta vollständig erobert war, und von dort aus Reis im Überfluss vorhanden wurde, weil Böden und Klima im Delta einen im Vergleich zu manch anderen vietnamesischen Regionen geradezu unverschämt angenehm einfachen Reisanbau erlaubten.

Interessant ist an dieser Sache auch, dass es tatsächlich eine ganze Gesellschaft war, die vom Handel und der Produktion von Handelsgütern profitierte. Das wiederum hing damit zusammen, dass der Nguyen-Hof keine königlichen Monopole auf bestimmte Güter verhängte, und selbst, als er es später dann doch tat (zum Beispiel auf Gold), gab es noch genügend andere verkaufsträchtige Produkte, an denen die einfache Bevölkerung prächtig verdienen konnte, wie zum Beispiel Zucker und Seide. Es entwickelten sich sogar Ansätze einer spezialisierten Produktionsgesellschaft: Neben Rohrzuckerplantagen entstanden Betriebe, die daraus Zuckerwasser gewannen, und wieder andere, die dieses Zuckerwasser in weißen Zucker raffinierten. Und dazu wiederum Hersteller von Töpfen und Krügen, um Wasser und Zucker zu transportieren.

Wer auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Norden und Süden schaut, sollte also nicht nur die üblichen Kriegsjahrzehnte des 21. Jahrhunderts im Blick haben, oder das unterschiedliche Klima, das ebenfalls gerne als psychologisch-soziales Unterscheidungsmerkmal herhalten muss. Es lohnt sich auch, genauer hinzuschauen, wie die Regionen in Mittel- und Südvietnam sich bereits im 17. Jahrhundert entwickelt haben.

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