Ideale und Illusionen

„Die deutsche Werbung“, sagt mein vietnamesischer Gesprächspartner, der lange in Deutschland gelebt hat, „hat ein eindeutiges Ideal, und das lautet ‚Selbstverwirklichung‘. Fast jeder Werbespot drückt aus, du kannst genau das sein, was du sein willst. In Vietnam gibt es auch ein Werbeideal. Es ist die heile Familie und die heile Gesellschaft. Vietnamesische Fernsehwerbung präsentiert die glücklichen Großeltern, die gehorsamen Kinder, die immer einsatzbereiten Lehrer und die fröhliche Mutter im Kreise der Großfamilie. Beides sind natürlich Illusionen und Utopien und Überzeichnungen.… (more…)

Früher

„In Deutschland sagt man offenbar gerne ‚Früher war alles besser.‘ In Vietnam sagt man das nicht. In Vietnam sagt man: ‚Im Westen ist alles besser.‘ Wir wollen alles so wie in der westlichen Welt machen.“ (eine junge Journalistin)

Sport im Park

Chips im Kühlschrank

Als ich eben den Kühlschrank im Büro geöffnet habe, lag eine Packung Chips im Seitenfach. Überraschend? Im ersten Moment schon, bei genauerem Nachdenken eigentlich nicht. Denn die Tüte war bereits geöffnet. Niemand aber lässt hier geöffnete Lebensmittel herumstehen. Einen Tag später wären Ameisen dran, oder Käfer oder irgendwelches andere Viehzeugs. Der einzige Schrank, der tatsächlich luftdicht schließt, und aufgrund seiner runtergekühlten Temperatur auch Ameisen fernhält, ist eben der Kühlschrank. Deswegen kommt alles in den Kühlschrank. Alles, was offen ist. Nicht… (more…)

Onkel Ho und das Nikotin

Ja, Ho Chi Minh war Raucher. Der Beweis ist sozusagen in Stein gemeißelt.

Schulalltag

Die Schulklasse aus Haiphong, die der Ethnologe Paul Horton in seiner Doktorarbeit über Mobbing beschreibt, könnte man „normal“ nenne, wobei das Adjektiv ein wenig problematisch ist in einem Land wie Vietnam. Was genau ist hier die typische Schulklasse? Vermutlich eine Klasse auf dem Land. Das ist Haiphong nun nicht, es ist im Gegenteil eine der größten industriell geprägten Städte Vietnams. Andererseits ist es auch keine Stadt wie Hanoi oder Ho-Chi-Minh-Stadt, die allein durch ihre Größe und ihren Status Sonderstellung haben.… (more…)

Schlaue Ratten

Eine vietnamesische Arbeitskollegin hat Ratten zu Hause. Die Ratten zeigen sich nicht, aber sie fressen Nahrungsmittel und Gegenstände an, und sie pinkelten überall hin, sagt die Kollegin. Dass Ratten sich gerne durch alles mögliche hindurch nagen, bemerke ich auch öfter mal, wenn ich meine ZEIT-Ausgabe per Post bekomme. Die Zeitung liegt offenbar auf dem Weg von Deutschland zu mir bisweilen einige Zeit in irgendwelchen vietnamesischen Postzwischenlagern, und wenn sie bei mir ankommt, ist manchmal irgendwo ein Loch in der Plastikfolie,… (more…)

Erst Benehmen, dann Wissenschaft

Mit Schulsprichwörtern ist das ja so eine Sache. Das bekannteste deutsche Schulsprichwort ist bekanntlich verdreht. „Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“, hat Seneca niemals geschrieben, sondern sich in seinem Text spitzzüngig ereifert, dass das Gegenteil der Fall sei: Die Zeitgenossen verschwendeten ihr Denken an überflüssigen Fragen, und daraus folge „non vitae, sed scholae discimus“ – nicht für das Leben, nur für die Schule lernen wir. Eines der bekanntesten vietnamesischen Schulsprichwörter lautet: „Tiên hoc lê, hâu hoc van.“… (more…)

Korruption, aus Bürgersicht

Ich bin über einen Artikel in der vietnamesischen Tageszeitung Thanh Nien auf das „Global Corruption Barometer“ aufmerksam geworden. Eine Umfrage von Transparency International, bei der 1000 Personen in Vietnam in persönlichen Interviews gefragt wurden, wie sie die Korruption in ihrem Land beurteilen. (Wer will kann sich hier sogar das Zip-File herunterladen [.zip], in dem die Methodik aufgeschlüsselt wird, unter anderem wird angegeben, welcher Dienstleister im Auftrag von Transparency International die Befragung durchführte, und so weiter.) Die Daten sind spannend. So… (more…)

Der letzte Countdown

Ich lese in den deutschen Online-Medien, dass die Koalition darüber nachdenkt, Ampeln mit Sekundenzähler in Deutschland einzuführen. Dabei erfahre ich dankenswerterweise auch noch zum ersten Mal, wie die Dinger auf Deutsch, oder sagen wir besser auf Neudeutsch heißen: „Countdown-Ampeln“. Denn diese Ampeln sind freilich in Vietnam schon längst Standard. Sie stehen zumindest seit ich hier bin überall. Die deutschen Politiker erhoffen sich von den Countdown-Ampeln einen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Eine Argumentation, die sich mir nicht ganz erschließt. Zum einen bewegt… (more…)