Category Archives: Allgemein

Und es war Sommer

Tet ist eigentlich wettermäßig als graue, feuchte Zeit bekannt. Tet-Wetter ist Frühlingswetter, mit dem vietnamesischen Neujahr beginnt offiziell auch der Frühling (selbst wenn Tet manchmal schon Mitte Januar stattfindet), und der Frühling ist in Vietnam eine sehr nassfeuchte Angelegenheit: Nieselregen, Wolkenschleier, Schimmel im Haus. Frühjahrsputz bedeutet unter anderem auch, mal durch alle Schränke zu gehen, ob irgendwo in der hinteren Ecke nicht vielleicht gerade eine Hose oder ein altes Paar Schuhe schimmeln. Wie das aber mit dem Wetter so ist:… (more…)

Noch ein paar Tage Wahnsinn

Am Wochenende beginnt das vietnamesische Neujahr. Wir befinden uns also aktuell mal wieder in der Phase „wenige Tage vor Neujahr“, auch anders bekannt als „Alltäglicher Wahnsinn“. Die Straßen sind selbst außerhalb der Stoßzeiten komplett dicht, weil alles unterwegs ist, um einzukaufen, vorzubereiten, Besuche zu machen. Die Geschäfte sind voll, alle Termine in allen Büros restlos belegt. Die Familien sind im Stress. Es ist Ausnahmezustand. Noch ein paar Tage. Dann kehrt die große Ruhe ein. Zumindest oberflächlich. Denn mir gegenüber haben… (more…)

Tiere, Krieg und Fleisch

„In vietnamesischen Städten gibt es fast keine Tiere. Das liegt daran, dass die Vietnamesen alle Arten von Tieren essen. Fleischkonsum macht gewalttätig. Deswegen war Vietnam in viel mehr Kriege verwickelt, als zum Beispiel die buddhistischen Nachbarn Laos und Kambodscha, in denen überwiegend vegetarisch gegessen wird.“ Diese wilde Aneinanderreihung von Thesen vertritt der amerikanische Journalist Joel Brinkley in einer Kolumne für die Chicago Tribune. Die ineinanderverschachtelte Logik der einzelnen Sätze ist, um es freundlich zu sagen, haarsträubend. Das ist umso ärgerlicher,… (more…)

Sonntags keine Hausbesuche

Das Konzept des „Sonntags“ hat sich für mich seit meiner Ankunft hier in Vietnam ein wenig verflüchtigt. Sonntags sind Behörden geschlossen, und die meisten Büros und Firmen auch, das schon. Aber Sonntag in Vietnam, das ist die Zeit für Einkäufe, für Großeinkäufe sogar, es ist die Zeit, in der man sich die Handwerker ins Haus holt (weil man sie unter der Woche nicht beaufsichtigen kann) oder andere wichtige Dinge tut. Sonntag ist, was Dienstleistungen und Konsum angeht, ein ganz normaler… (more…)

„Die kommen vorbei…“

Mein Handy-Vertrag ist ein Monatsvertrag. Jeden Monat muss ich zu einer Filiale meines Telefonanbieters gehen, und die Rechnung bezahlen. Andernfalls wird das Telefon gesperrt, bis ich das Geld überreicht habe. Ich könnte das ganze auch online machen, dazu bräuchte ich aber ein Online-Konto bei einer vietnamesischen Bank, und bislang war ich, zugegeben, zu bequem dafür. Als ich das gestern kurz im Büro erwähnte, erklärte eine vietnamesische Mitarbeiterin überrascht: „Warum gibst du denen nicht deine Arbeitsadresse, damit sie das Geld abholen?“… (more…)

Leise Musik

Der monotone, immer ähnlich klingende „Viet Pop“ ist als Musik in Vietnam so allgegenwärtig, dass man gerne mal schnell vergisst, dass es auch ganz andere Songwriter gibt. Obwohl im vorliegenden Fall einige Leute widersprechen und sagen würden: So einen wie ihn gab es nur einmal. Am Sonntag ist in einem Krankenhaus in Ho-Chi-Minh-Stadt der 92-jährige Musiker Pham Duy verstorben. Duy war eine ganz besondere Figur der vietnamesischen Musikszene, ein Liedermacher, der gleichzeitig anrührend traditionelle und auf ihre Weise aufregend experimentelle… (more…)

Giftiges Vermächtnis

Einer der relativ weit verbreiteten Irrtümer über Agent Orange besteht darin zu glauben, dass die bis heute belasteten vietnamesischen Gebiete jene seien, über denen die US-Armee im Krieg das Entlaubungsmittel versprüht hat. Tatsächlich aber haben diese Gegenden das Schlimmste lange hinter sich: Das dioxinhaltige Agent Orange wurde dort aus der Luft verteilt, es vergiftete Bäume, Reisfelder und Tiere, und es drang in die Körper der Bauern und Soldaten ein, wo es teilweise bis in kommenden Generationen sich in Form von… (more…)

Enger und enger

Für ein Nationalkostüm hat der berühmte „Ao Dai“ eine recht kurze Geschichte. In den 30er Jahren wurde erstmals ein Frauenkleid vorgestellt, das dem heutigen Ao Dai ähnelt. Der Designer Nguyen Cat Tuong, zu dieser Zeit gerade mal Mitte 20, hatte es entworfen. Leider verstarb er bereits wenige Jahre später (1946), und hinterließ deswegen relativ wenig Aufzeichnungen und Erzählungen. Die Gewänder, die Cat Tuong schnitt, wurden damals „Le Mur“ Kleider genannt. Sie fallen etwas luftiger um den Körper, als heutige, enganliegende… (more…)

Meinungsmacher

Der Leiter des Hanoier Komitees für Propaganda, Ho Quang Loi, hat Anfang Januar erklärt, die Stadt Hanoi verfüge über ein Team von 900 „Meinungsgestaltern“ oder „Meinungsmachern“, die sich im Internet für die Linie der Partei einsetzen. Also Personen, die offenbar den ganzen Tag nichts anderes machen, als auf Webseiten, in Diskussionsforen oder auf Blogs die öffentliche Parteimeinung zu vertreten und damit Diskussionen in die (aus ihrer Sicht) richtige Richtung lenken wollen. Das sei notwendig, weil andernfalls die öffentliche Meinung zu… (more…)

Zeitenstadt

Von meinem Fenster aus kann ich seit einigen Wochen und Monaten beobachten, wie im Süden Hanois ein neues Hochhauswohnviertel aus dem Boden gestampft wird. Was mit einem einzelnen Hochhaus anfing, ist nun eine breite Häuserfront mit Kränen geworden, die täglich weiter in die Höhe und die Breite zu wachsen scheint. Insgesamt ist das Stadtbild von Hanoi ja immer noch sehr wenig von Hochhäusern geprägt, da fällt ein so massiver Koloss natürlich besonders auf. „Times City“ heißt das neue Wohnviertel. „So… (more…)